Tagung „Beschilderungskonzept für die überregionalen Radwege“
des Ministeriums für Wirtschaft am 07.06.2007
1. Es ist gut, dass die überragende Bedeutung des Radtourismuses, als wichtigste Form des Aktivurlaubes in Sachsen-Anhalt von der Landesregierung erkannt wird. Folgt man der Analyse von Herrn Minister Haseloff werden von den 140.000 Fernradfahrern, die Sachsen-Anhalt jährlich besuchen, eine Million Übernachtungen gebucht, 320 Mio. Euro Umsatz generiert und damit 7.200 Arbeitsplätze gesichert und 7 Mio. Euro kommunale Steuereinnahmen gewonnen.
2. Die Trägergesellschaft Sachsen-Anhalt (TGL) ist für ihre umfangreiche Bestandaufnahme an 17 überregionalen Routen zu loben. Diese Bestandaufnahme weist allerdings auf erheblichen Handlungsbedarf hin. Selbst am dem für viele Tourismusbetriebe in Sachsen-Anhalt existenziell wichtigen Elberadweg sind über 40 % der Strecke „familienunfreundlich“ oder auch mit deutlichen Mängeln behaftet, im Durchschnitt aller 17 Routen werden nur 37 % aller Streckabschnitte als familienfreundlich und mit geringen Mängeln behaftet eingestuft.
3. Ein weiteren Ausbau, der es auch Familien mit Kindern ermöglicht, Radfernwege in Sachsen-Anhalt zu nutzen und Radtouristen in weitere Regionen Sachsen-Anhalts zu locken, erfordert eine verstärktes Engagement des Landes sowohl in finanzieller als auch in ideeller und personeller Hinsicht. Bezeichnenderweise hat die Hochwasserkatastrophe im Jahre 2002 den größten Entwicklungsschub für den Ausbau von Radwegen and Elbe und Saale gebracht.
Standpunkt zum Ausschilderungskonzept
4. Der ADFC Sachsen-Anhalt teilt die Analyse der Landesregierung (Rede von Minister Dähre zur Auftaktveranstaltung Radverkehrsplan Sachsen-Anhalt vom 18.12.07), dass ein erheblicher Schwachpunkt des Radtourismus in Sachsen-Anhalt die Ausschilderung ist. Diese ist lückenhaft, uneinheitlich, nicht koordiniert und in vielen Situationen ein Ärgernis für Radtouristen.
5. Der ADFC Sachsen-Anhalt begrüßt deshalb die Initiative des Landes bzw. der TGL landesweit die Fernradwege einheitlich auszuschildern.
6. Der ADFC Sachsen-Anhalt hält die jetzige Initiative für als kurzfristig hilfreich, fordert aber mittel- und langfristig einen umfassenderen Ansatz. Dieser sollte die Ausweisung eines Radwegenetzes und eine Ausschilderung gemäß den Vorgaben des FDSV zum Ziel haben.
Begründung
Das Beschilderungskonzept ist nicht ausreichend transparent. Es gab im Vorfeld keine Abstimmung mit dem ADFC oder den Ansprechpartnern bei den Kommunen und Landkreisen.
Das verfolgte Beschilderungskonzept ist nicht mit den Kommunen abgestimmt. Z. B. wurde deshalb ein in der Stadt Halle im Rahmen einer Diplomarbeit entstandenes Konzept nicht einbezogen.
Die Beschilderung weicht ab von den Vorgaben des FGSV, dies irritiert Radfahrer unnötig. Für den Radtouristen ist es nicht von Interesse Ländergrenzen anhand von wechselnder Beschilderungsfarbe oder -syntax zu identifizieren (es käme ja auch niemand auf die Idee eine landesspezifische Ausschilderung von PKW-Straßen vorzunehmen). Auch im Land entsteht nun eine irreführende Beschilderung, während z. B. die Stadt Halle gemäß FGSV mit roter Schrift ausgeschildert hat, werden vom Land Schilder mit grüner Beschriftung aufgestellt.
Es existieren keine Vereinbarungen mit den Kommunen über eine Wartung und Pflege der Ausschilderung. Hier stellt sich die Frage, wie wird sichergestellt, dass die durchschnittlich jährlich 20 % zu ersetzenden Schilder ersetzt werden? Der ADFC sieht auch ungeregelte Durchführung der Beschilderung für kritisch und befürchtet, dass dadurch die keine einheitliche Qualität gewährleistet wird.
Befahrungen am Saaleradweg in Halle haben gezeigt, dass z. B. nur reduziert Entfernungswegweiser aufgestellt werden, Zusatzschilder mit Hinweis auf nationale oder europäische Routen sind bisher nicht bekannt. Der ADFC hält dies für ein Sparen an der falschen Stelle, die Kosten für die normgerechte Ausschilderung stehen in keinem Verhältnis zu den eingesetzten Wegeausbaukosten (allein vom Wirtschaftsministerium wurden seit dem Jahr 2000 28 Mio. Euro für den Radwegebau investiert; Pressemitteilung MW vom 07.06.07), reduzieren aber die Orientierungsfähigkeit. Jeder fehlende Wegweiser kann Grund für ein unnötiges Ärgernis sein und zu nachhaltigen Imageschäden für einen Radfernweg führen. Im Ergebnis einer Befragung des ADFC befinden 66% aller Radtouristen finden eine durchgängige und eindeutige Ausschilderung als sehr wichtig.
Die Befahrung wurde leider nicht genutzt um weitere Gesichtspunkte einer Radfernwegeausstattung zu prüfen bzw. vorzuschlagen. Es hätte sich angeboten, Standorte für Übersichtstafeln, Abstellanlagen und Rastplätze festzulegen und Hinweise auf nahe liegende Sehenswürdigkeiten aufzunehmen.
Es fehlt eine Vernetzung zum ländlichen Wegekonzept, zu Radwegeverbindungen an Bundes- und Landesstraßen und den regionalen Radwegen der kreisfreien Städte und Landkreise.
Leider wurde nicht dem modellhaften Vorgehen der Region Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg gefolgt, in der für Gesamtkosten von ca. 100.000 Euro ein beispielhaftes Konzept für eine kommunal abgestimmte Wegweisung, infrastrukturelle Ausstattung und Vermarktung der touristischen Radwege entwickelt wurde.
Es wird auch nicht die Qualität der Entwicklung des Blauen Bandes erreicht. Dort wurde in einem stufenweisen Verfahren von der Bestandanalyse über die Koordinierung mit den Kommunen und die Umsetzung planvoll eine Infrastruktur aufgebaut. Dies obwohl der Radtourismus ein erheblich höhere Bedeutung und Potentiale für die Gastronomie in Sachsen-Anhalt hat.
Der ADFC verweist auf das Acht Punkte Programm vom Sept. 2006 und schlägt vor, die jetzige Wegweisung der TGL als kurzfristiges Aktionsprogramm einzuordnen, dem ein gründliches und abgestimmtes Konzept wie in der Region Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg folgen muss. Die Fernradrouten sind mit den regionalen Routen zu verzahnen, als Fernziel ist ein Wegenetz anzustreben, das alle größeren Orte in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus verbindet.
Die Erstbeschilderung ist dem Landesbetrieb Bau zu übertragen, mit den Landkreisen und kreisfreien Städten sind schriftliche Vereinbarungen über die Betreuung und Wartung der Wegweisung zu treffen. Die Beschilderung der überregionalen Radwege muss wie die Ausschilderung an den Landesstraßen einheitlich und in Regie des Landes vorgenommen werden (niemand käme auf die Idee an den Landesstraßen aus Kostengründen Entfernungswegweiser einzusparen). Eine Überführung in die amtliche Beschilderung wie in NRW ist wünschenswert.
Es ist in der Landesverwaltung eine zentrale Koordinierungsstelle u. a. für die Vernetzung von überregionalen mit dem regionalen Radwegenetz zu schaffen. Von dieser Stelle sollen Initiativen und Impulse für die Entwicklung des Radtourismus ausgehen. Wie notwendig diese ist, wird erkennbar wenn auf dem R1 die Landesgrenze nach Brandenburg passiert wird. Auf der einen Seite mäßig befahrbare unbefestigte landwirtschaftliche Nutzwege, auf der anderen Seite ein durchgehender lückenloser Asphaltweg.
Die bisherigen Veranstaltungen dienten der Information über die Pläne und Aktivitäten der Landesregierung. Eine aktive Beteiligung war des ADFC und der Kommunen ist bisher nicht erfolgt und war im Rahmen der beiden Veranstaltungen vom 08.12.06 und 07.06.07 nicht oder nur unzureichend möglich.
Zukünftig sollten der ADFC und weitere externe Experten stärker in die Aktivitäten der Ministerien eingebunden werden. Eine Orientierung an den best practice in anderen Bundesländern oder auch europaweit ist anzustreben. Als richtigen Schritt sehen wir die Einladung von Dr. Richter vom ADFC Bundesverband an, das Zertifizierungskonzept des ADFC für Fernradwege gibt wichtige Hinweise für das Ausschilderungskonzept, aber auch für den weiteren Ausbau der radtouristischen Infrastruktur in Sachsen-Anhalt.