Kreisentwicklungskonzept 2025, mit diesem Instrument richtet der Landkreis Stendal zumindest für die östliche Altmark den Blick in die Zukunft.
Dort wohnend und als ADFC-Mitglied habe ich mir das umfangreiche Dokument (ca. 300 Seiten, siehe https://daten.verwaltungsportal.de/dateien/news/2/7/7/8/0/8/kek_-_stand_2015-03-05.pdf), das den Kommunen jetzt zur Beratung vorliegt, mit großem Interesse angesehen. Das Konzept enthält viele nützliche Fakten und Informationen, benennt wünschenswerte Ziele, beschreibt Lösungswege und verdeutlicht gleichzeitig die eingeschränkten Möglichkeiten für die Verwirklichung. Es macht stolz, aber ebenso besorgt. Ja, der Landkreis Stendal zeigt sich eher als Problemregion.
Besonders habe ich natürlich auf die Rolle des Radfahrens in den Zukunftsüberlegungen geachtet. Im großen Kapitel Verkehr gibt es konzentrierte Aussagen dazu im Abschnitt „Radwegenetz“. Es wird von einem Basisnetz für Pendler und Alltagsfahrer gesprochen und einem Freizeitnetz für die Freizeit- und Tourismusfahrer gegenübergestellt. Diese Netze sollen zunehmend für beide Gruppen nutzbar gemacht werden. Erkenntnisse des Landesradverkehrsplans und anderes Fachwissen werden einbezogen. Vieles liest sich jedoch eher theoretisch. Es dominiert der Konjunktiv. Und das Argument der fehlenden finanziellen Mittel ist letztlich keins: Politischer Wille entscheidet, wofür Gelder eingesetzt werden.
Ausgehend vom hohen Stellenwert des Tourismus beschäftigt sich das Konzept vor allem mit dem touristischen Radfahren. Hier bestehen ohne Zweifel große wirtschaftliche Potentiale. Das betrifft vor allem den Elberadweg und den Altmarkrundkurs. Vielfach seien die Kommunen jedoch nicht in der Lage, die erforderlichen Qualitätsstandards aufrechtzuerhalten. Zum großen Teil wird hier an die Außenwirkung und an Anziehungspunkte für nicht im Landkreis Wohnende gedacht. Das ist nicht falsch, trifft die Bedürfnisse der Einheimischen jedoch nur teilweise.
Für den Alltagsradverkehr wird als Ausgangslage beschrieben, dass der Landkreis über 474 km Kreisstraßen verfügt, von denen 42 km mit straßenbegleitenden Radwegen ausgestattet seien. Mehr als 90% der Kreisstraßen hätten damit keine Radwege. Im Kreisgebiet gibt es weiterhin 174 km Bundesstraßen und 352 km Landstraßen, die teilweise (Zahlen werden leider nicht genannt) über straßenbegleitende Radwege verfügen. Um die Situation zu verbessern wird der Neubau straßenbegleitender Radwege für erforderlich gehalten. Es gibt einige Planungen für den Neubau von Radwegen an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen. Bei den Kreisstraßen wird die Realisierung aus finanzieller Notlage jedoch in unbestimmte Zeiten verschoben. Andere Strategien als der Bau straßenbegleitender Radwege werden nicht erwogen. Mischverkehr wird nur auf den Gemeindestraßen für umsetzbar gehalten. Es braucht offenbar Zwischenlösungen, die vor allem mit Verringerungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten verbunden sein könnten. Das scheint auch deshalb angeraten, weil 109 km der Kreisstraßen weniger als 5,00 m, teilweise nur 3,50 m breit sind. Weniger Tempo, und vielleicht gestaffelt nach PKW und LKW, würde mehr Sicherheit für alle bedeuten und auch den Radfahrenden bessere Bedingungen bringen.
Für die Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur werden Erreichbarkeitsstandards aufgeführt. Hier wird vom PKW aus gedacht. Einer ÖPNV-Nutzung wird stets die doppelte Zeit zugeordnet, und das Fahrrad als selbständiges Verkehrsmittel wird gar nicht berücksichtigt. Es ist ja u.a. davon auszugehen, dass immer mehr Pedelecs gefahren werden. Auch angesichts des wachsenden Durchschnittsalters der Einwohner wäre über Anreize nachzudenken.
Sehr dringlich wird jedoch die Verknüpfung zwischen Fahrrad und ÖPNV thematisiert. In den Zügen der Bahn ist die Fahrradmitnahme kostenlos möglich, aber nur in einer einzigen Buslinie (Nr. 900, zwischen Stendal und Havelberg). Alle übrigen Busse im Linienverkehr machen eine Mitnahme von der jeweiligen Platzkapazität abhängig, und diese (nicht garantierte) Fahrradmitnahme ist kostenpflichtig.
Im Busverkehr liegen sicher große Möglichkeiten für die Förderung des Radfahrens: Busse fahren auf ca. 1.300 km Straße und bedienen 866 Haltestellen. Die garantierte Fahrradmitnahme würde gut zu den Lebensbedingungen im ländlichen Raum passen.
Im Entwicklungskonzept wird vom Selbstverständnis ausgegangen, eine „angemessene Verkehrsinfrastruktur“ schaffen zu müssen. Hier ist sicher weiter zu streiten, was angemessen ist. Bislang gelingt es mir nicht, eine Vision für mehr fahrradgebundene Mobilität zu erkennen.