Der ADFC RV Halle (Saale) wird eine Klage zur Aufhebung der Radwegebenutzungs-pflichten in der Geiststraße, der Talstraße, der Dessauer Str. und der Delitzscher Str. vor dem Verwaltungsgericht Halle zu 100% unterstützen. Die Klage gründet auf einem Einspruch des ADFC aus dem Jahre 2011.
Hintergrund:
Benutzungspflicht des Radweges
Eine Fahrt auf der Fahrbahn ist nicht erlaubt, so lange eine so genannte Benutzungspflicht des Radweges vorliegt. Steht dort ein blaues Schild, so ist der Radfahrer verpflichtet, den Radweg zu nutzen. Nach unserer Meinung soll jedoch jeder, wie jetzt schon an über 20 Straßen in Halle und z. B. der Bernburger Str. stadtauswärts, selbst entscheiden dürfen, ob er auf dem Radweg oder der Straße fahren möchte. Nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen.
Gefahren bei der Nutzung des Radweges durch Abbiegeunfälle
Viele Unfälle zwischen Radfahrern und Autofahrern sind auf Abbiege- und Unfälle an Ein- und Ausfahrten zurückzuführen. Diese entstehen oft wenn Autofahrer ohne Schulterblick rechts abbiegen oder Autofahrer aus unübersichtlichen Ausfahrten den Radweg queren. Fährt der Radfahrer hingegen auf der Fahrbahn, so hat ihn der Autofahrer besser im Blick. Die Nutzung der Fahrbahn ist für Radfahrer objektiv sicherer, besonders bei baulich weit abgesetzten „Bordsteinradwegen“, die oft in einem schlechten Zustand sind. Gemäß § 2 Abs. 1 StVO gehört das Fahrrad auf die Fahrbahn. Eine Ausnahme besteht nach § 45 Abs. 9 StVO nur dann, wenn eine „auf besondere örtliche Verhältnisse zurückgehende qualifizierte Gefahrenlage“ vorliegt. Dann darf die Verkehrsbehörde Schilder aufstellen, welche die ausschließliche Nutzung des Radweges verlangen. Das Aufstellen eines „blauen Schildes“ bedarf jedoch einer Begründung, warum dort eine konkrete Gefahrenlage vorliegt (BVerwG 2010). Ohne besonderen Grund darf kein Schild den Radfahrer auf den Radweg zwingen. Selbst hohe Dichten motorisierten Individual-verkehrs (MIV) müssen nicht automatisch zu „besonderen Gefahrenlagen“ führen, wie verkehrswissenschaftliche Untersuchungen zeigen. Auch in Halle sind Unfälle auf der Fahrbahn vergleichsweise selten. In der Praxis wurden in Halle und in den Sachsen-Anhalter Kommunen diese Schilder oft ohne Beachtung der eindeutigen Rechtslage und mit teils gefährlichen Folgen für die Radfahrer aufgestellt. Die zu klärende Frage ist, ob an der Dessauer Str., der Talstraße, der Geiststraße und an Teilen der Delitzscher Straße tatsächlich eine Gefahr für Radfahrer auf der Fahrbahn vorliegt, welche das Aufstellen der Schilder rechtfertigen würde.
Gefahrenlage bei den konkreten Straßen
Laut der Verkehr- und Oberen Verkehrsbehörde liegen angeblich an den oben genannten Straßen solche Gefahrenlagen vor. Die Verkehrsbehörden vertreten die Auffassung, Radfahrer durch Schienenunfälle (Geiststr.), hohe Verkehrsdichten (Delitzscher Str., Dessauer Str.) und rechtswidrig dicht auffahrende Autofahrer (Talstraße) besonders gefährdet würden. Der ADFC sieht diese außerordentliche Gefahrenlage nicht, hingegen sieht er Gefahren auf den Radwegen durch Rillen und Erschütterungen in der Dessauer Str. und Talstraße, fehlende Sicherheitsab-stände zu PKW-Parkständen und parkende MIV auf dem Radweg (Dessauer Str.), Konflikte mit anderen Radfahrern und Fußgänger bedingt durch zu geringe Breiten der Rad- und Fußwege (Delitzscher Str., Geiststr., Talstraße) und gefährliche Ausfahrten (Delitzscher Str.). Anhand von Unfalldaten in Halle konnte vielmehr die Gefährdung von Radfahrern und Fußgängern gerade durch nutzungspflichtige Wege nachgewiesen werden. Es gibt hingegen seit Jahren gute Erfahrungen mit dem Verzicht auf den Benutzungszwang.
Der ADFC erklärt: „Natürlich sollen Bürger auf Radwegen weiter fahren dürfen, wenn sie sich subjektiv sicherer fühlen – auch wenn dies objektiv nicht der Fall ist. Doch diejenigen, die schneller und sicherer auf der Fahrbahn fahren möchten, sollen dort fahren dürfen. Das dient der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer“.
Ziel der Klage soll es sein:
- die Verkehrsbehörden zu einer ordnungsgemäßen Arbeit zu zwingen (5 jährige Bearbeitungsfristen sind nicht hinnehmbar).
- baulich unzumutbare Radwege wie in der Dessauer Straße sollen nicht weiter toleriert werden. So lange kein regelgerechter und nicht ordnungsgemäß unterhaltener Radweg (das schließt auch das Unterbinden von Zuparken ein) angeboten werden kann, dürfen Radfahrer nicht gezwungen werden ihn zu nutzen.
- exemplarisch der Praxis der Stadt und des Landes zu widersprechen das geltende Recht nur selektiv im Sinne der Gewährleistung der Flüssigkeit des motorisierten Individualverkehrs anzuwenden. Trotz geringen Verkehrsaufkommens (6.000 Kfz täglich in der Talstr. bzw. 18 Straßenbahnen stündlich an Werktagen in der Geiststr.) sollen Radfahrer von der Benutzung der Fahrbahn in der Geiststraße und der Talstraße ausgeschlossen werden.
- einen Impuls zur Realisierung geltender Standards bei Neubauvorhaben zu geben. Gemeinsame Fuß- und Radwege innerorts wie in der Talstraße, der Delitzscher Straße und jetzt aktuell in der Gudrun-Gösecke Straße sind nicht regelgerecht und führen zu Konflikten zwischen Fußgängern und Radfahrern. Sie sind gefährlich, weil sie oft, wie an der Delitzscher Straße nahe an gefährlichen Ein- und Ausfahrten herbeiführen. In dem Fahrradland Niederlande sind sie gänzlich ausgeschlossen.
Wer die Klage des ADFC unterstützen will, kann gerne unter dem Stichwort „Bessere Radwege“ mit einer Spende auf das Spendenkonto: Saalesparkasse; IBAN: DE80 8005 3762 0384 3009 61; BIC: NOLADE21HAL dazu beitragen, dass dem Radverkehr in Halle (Saale) mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird.