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1 Jahr Aktionsprogramm „Pro Rad“

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1 Jahr Aktionsprogramm „Pro Rad“ und Landesradverkehrsplan – Vorschläge des ADFC zur Verbesserung der Bedingungen für den Radverkehr und -tourismus in Sachsen-Anhalt

Der ADFC Sachsen-Anhalt e.V. nimmt die erste Jährung der Ankündigung des Landesprogramms „Pro Rad“ zur Förderung des Radverkehrs zum Anlass, ein erstes Resümee zu ziehen. Der ADFC hat das Initiativprogramm vom 12. Sept. 2006 begrüßt und an den Veranstaltungen zum Landesradverkehrsplan am 18. Dez. 06 und zum Beschilderungskonzept am 07. Juni. 2007 teilgenommen. Der ADFC teilt die Bewertungen der Ansprache des Verkehrsministers und diverser Fachvorträge hinsichtlich der vielfältigen positiven Effekte des Radverkehrs für die Gesundheit, den Tourismus, die Stadtentwicklung usw. Auch aus aktuellem Anlass (Klimaschutzinitiative der Bundesregierung; Landesenergiekonzept; „lpreis bei über 90 $ je Barrel im Nov. 07) verweist der ADFC auf die positiven Effekte, die bei Kompensation von PKW-Individualverkehr durch das Null-Emission-Fahrzeug Fahrrad für den Klimaschutz erreicht werden können.

Beitrag zum Klimaschutz
Würde etwa die durchschnittliche Fahrtstrecke pro Einwohner in Sachsen-Anhalt von ca. 300 km auf bis zu 1.000 km gesteigert, Fahrleistungen die heute schon in Holland und Dänemark erreicht werden, könnten die C02 Emissionen in Sachsen-Anhalt um ca. 270.000 to jährlich reduziert werden (siehe Bundesumweltsamt, das von bis zu 13 Mio. to mögliche Reduktion in Gesamtdeutschland ausgeht). Das die Sachsen-Anhalter dazu bereit sind zeigt ein Umweltranking der 16 Bundesländer im GEO-Magazin Nr. 12/07. Bei den Wegeanteilen des Radverkehrs liegt Sachsen-Anhalt dort schon heute auf Platz 3, dies obwohl bei der Qualität der Infrastruktur, gemessen an den Radwegen an Bundes- Landes- oder Kreisstraßen, erheblicher Nachholbedarf besteht und nur Patz 11 erreicht wird.

Ausschilderungskonzept
Als Schritt in die richtige Richtung betrachtet der ADFC die Investition von 1 Mio. Euro für eine verbesserte Ausschilderung von 14 überregionalen touristischen Radrouten. Allerdings kritisiert der ADFC die Abweichungen von bundeseinheitlichen Standards aus der FGSV, die fehlende Vor-Ort-Abstimmung und die nichtgesicherte Pflege bzw. den zukünftig notwendigen Ersatz von Schildern.
In der Konsequenz kann dies dazu führen, dass am Fernradwanderweg R1, einem vom Bundesministerium für Verkehr unterstützen Modellprojekt zur Entwicklung einer nationalen Radroute, in Sachsen-Anhalt abweichend zu allen anderen beteiligten Bundesländern ausgeschildert wird, oder dass die unter Umständen vor kurzem erfolgte Ausschilderung erneut ersetzt werden muss. Ansonsten wird der Radtourist in Sachsen-Anhalt auf eine grüne Beschriftung ohne Fahrradpiktogramm, in NRW und Brandenburg auf eine rote Beschriftung mit Fahrradlogo sto“en. Neu wir für ihn auch sein, dass touristische Sehenswürdigkeiten auf braunem Hintergrund als Nahziel ausgeschildert werden.

Aktionsprogramm Pro Rad
Leider ist dem ADFC bisher nicht bekannt geworden wann und wie die weiteren Punkte des Aktionsprogramms umgesetzt wurden und werden. Der ADFC hätte die Landesverwaltung gerne diesbezüglich beraten bzw. ihr landes- und bundesweites Expertenwissen vermittelt. Bisher wurde der ADFC aber nicht an diesbezüglichen Gesprächen bzw. Entscheidungen beteiligt, es ist zu befürchten, dass ein blo“es von Oben nach Unten Verfahren nur suboptimale Ergebnisse zur Folge haben und nicht die Qualität wie z. B. in Sachsen (umfassender Landesradverkehrsplan) oder Brandenburg (vorbildlicher Ausbau und Beschilderung von touristischen Radrouten; zweite ADFC Zertifizierung eines Fernradwanderweges in Deutschland; der Fürst-Pückler Radweg erreichte vier von fünf möglichen Sternen) erreichen.

Koordinierung Radverkehr
Weiterhin vermisst der ADFC einen zentralen Ansprechpartner für die Radverkehrsbelange in der Landesverwaltung, Dieser sollte zentral Auskunft geben können über den jeweiligen Stand aller Aktivitäten der Landesregierung bzw. diese über das Internet usw. kommunizieren. Beispielsweise wird dem ADFC nur über die Presse bekannt an welchen Radrouten weitere Ausbausschritte erfolgen (warum wird dies nicht über www.radverkehrsplan-sachsen-anhalt.de öffentlich gemacht?). Derartige Kenntnisse würden die Arbeit des ADFC z. B. beim Routenscouting für die neuen ADFC Radtouren- Regionalkarten unterstützen.
Diese Karten werden die Vermarktung des Radtourismus verbessern. Im Internetportal www.radverkehrsplan-sachsen-anhalt.de sind keine Informationen zu der laufenden Untersuchung zum Fahrradtourismus und der beabsichtigten Vergabe des Landesradverkehrsplanes an ein externes Planungsbüro nachzulesen. Dessen Erarbeitung verzögert sich leider, laut Aussage von Herrn Staatssekretär Gottschalk bei der Abschlussveranstaltung „Mit dem Rad zur Arbeit 2007“, um ein Jahr und damit bis Ende 2008.

Vor Jahren wurde angekündigt das ländliche Wegekonzept zu digitalisieren, diesbezügliche Ergebnisse sind bis heute noch nicht bekannt geworden. Es stellt sich insgesamt die Frage nach einer Evaluierung dieses Projektes hinsichtlich der Frage, ob mittlerweile die Mittel des ländlichen Wegebaues stärker als vorher für den Aufbau eines Fahrradwegenetzes eingesetzt werden. Seit den Beiträgen zu der Veranstaltung des MW vom 07. Juni 2007 sind keine weiteren Schritte auf dem Weg zum Landesradverkehrsplan dokumentiert. Eine transparente, gebündelte und systematische Öffentlichkeitsarbeit ist aber ein eigenständiger Faktor zur Förderung des Radverkehrs und macht Bürgerbeteiligung überhaupt erst möglich.

Eine Koordinierungsstelle Radverkehr könnte auch zentraler Ansprechpartner für die Kommunen und die Fördermittelberatung werden und dafür Sorge tragen, dass bei dem weiteren Ausbau den neuesten Standards für den Ausbau von Radrouten entsprochen wird. Aktuell hat sich z.B. eine Bürgerinitiative (Kontaktadresse Herr Schorer; Alte-Molkerei@gmx) zum Ausbau des Havelradweges entlang einer Landesstraße zwischen Neu-Schollene und Wolkenberg an den ADFC gewandt. Diese Bürgerinitiative führt beim ADFC Beschwerden in der Landesverwaltung von einer Stelle zur anderen geschickt zu werden. Weitere Initiativen (z. B. in Benzingerode; MZ vom 25.09) zum Ausbau von Radwegen in Sachsen-Anhalt zeigen die zunehmende Bedeutung des Radverkehrs für die Bürger.

Ausbau touristischer Radfernwege
Ein erster Aufgabenschwerpunkt einer landesweiten Koordinierungsstelle könnte eine Initiative zur Ertüchtigung des R1 in Sachsen-Anhalt sein. Diese ideale Ost-Westverbindung durch Sachsen-Anhalt befindet sich bisher ebenfalls in einem wenig vorzeigbarem Zustand und erreicht augenscheinlich nicht die Qualität des Ausbaues wie z. B. im Land Brandenburg. Auch sollte die Routenführung noch einmal überdacht werden, es ist wenig verständlich warum die Route an einem erstrangigen, kulturhistorischen Ziel, wie dem Weltkulturerbe Quedlinburg, oder auch der Residenzstadt Köthen vorbeigeführt wird.
Der ADFC begrüßt die Anhebung der Fördersätzen im touristischen Radwegebau auf bis zu 90 %, wie jetzt am Allerradweg praktiziert (MZ). Nur mit ähnlichen Anstrengungen und der überzeugenden Ansprache der betroffenen Gemeinden durch Tourismusverbände, Landespolitik und -verwaltung und den ADFC-Kreisverbände werden sich die vielen Lückenschlüsse und der Ausbau von zumindest weiteren 37% aller Teilstrecken (insgesamt 2.033 km), die gemäß Erhebung der TGL als Routen mit „deutlichen Mängeln und familienunfreundlich“ (509 km) oder als „mit schwerwiegenden Mängeln“ (173 km) oder als „unbefahrbar“ (24 km) eingestuft werden, auf den 14 Routen in einem absehbaren Zeitraum bewältigen lassen. Dabei sind Investitionen in touristische Radwege regionalwirtschaftlich betrachtet hochprofitabel. Dies beweisen neueste Untersuchungsergebnisse einer Studie zum Radtourismus aus Rheinland-Pfalz. Mit dieser Studie zeigt sich, dass sich die durchschnittlich 150 Tsd. Euro Investitionskosten je km Radweg bei durchschnittlich 108 Tsd. Euro Wertschöpfung je Km und Jahr kurzfristig amortisieren.

Vermarktung Radtourismus
In der Broschüre „Deutschland per Rad“ 2008 werden 14 Routen in Sachsen-Anhalt national und international mit einer Auflage von 500.000 Exemplaren beworben.
Neun dieser Routen haben auf über 40% ihrer Strecke erhebliche Mängel aufzuweisen und sollten im derzeitigen Zustand nicht national oder international vermarktet werden (www.radverkehrsplan-sachsen-anhalt.de/beschilderungskonzept.html), da sie den Ruf des Radtourismus in Sachsen Anhalt gefährden. Der ADFC empfiehlt deshalb, diese Routen nicht mehr im Jahr 2009 für die Meldung zur Broschüre „Deutschland per Rad“ anzumelden und die verantwortlichen Kommunen und Tourismusverbände aufzufordern für eine notwendige Verbesserung zu sorgen, um damit eine nationale und internationale Vermarktung rechtfertigen zu können. Aber auch die fünf „besseren Routen“ bedürfen dringend des weiteren Ausbaues. Selbst am beliebtesten Radweg Deutschlands dem Elberadweg mit seiner existenziell wichtigen Bedeutung für viele Gastronomiebetriebe in Sachsen-Anhalt werden 13,8 km als mit schwerwiegenden Mängeln behaftet eingestuft.

Interaktiver Radroutenplaner
Im Punkt 11 des Aktionsprogramms vom 18. Sept. 07 wurde der Aufbau eines interaktiven Radroutenplaners Sachsen-Anhalt angekündigt. Mit der Veröffentlichung der Befahrungsergebnisse durch die TGL Sachsen-Anhalt am 07. Juni. 07 liegen detaillierte Wegezustandsberichte für die einzelnen Steckenabschnitte an den 14 Routen vor. Damit besteht eine hervorragende Grundlage für den Aufbau eines Internet-Radroutenplaners. Der ADFC Bundesverband baut derzeit unter der Dachmarke „Reisen plus“ einen deutschlandweiten interaktiven Radroutenplaner auf. Dieser hat den Vorteil, dass eine Reihe weiterer wichtiger Informationen, wie Datenbanken zu Bed & Bike Betrieben, Länderinfos usw. integriert werden. Eine Kooperation zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und dem ADFC könnte eine breite, fundierte und kostengünstige Vermarktung der Radrouten in Sachsen-Anhalt im Internet sichern.

Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“
Der ADFC empfiehlt dem Schirmherrn der Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“ und obersten Dienstherr des Landesbetriebes Bau Herrn Minister Dr. Karl-Heinz Daehre, dafür Sorge zu tragen die Radabstellanlagen in der Landesverwaltung auf einen einheitlichen, vorbildlichen Stand zu versetzen und im Rahmen seiner Zuständigkeiten etwa im Städtebau, Förderprogramme und rechtliche Vorgaben so zu gestalten, dass die Fahrradabstellanlagen in Sachsen-Anhalt zu einer Einladung an die Beschäftigten zur Nutzung des Rades auf dem Weg zur Arbeit werden. Dies spart Steuergelder, ein Radabstellplatz kostet einen Bruchteil der Kosten eines PKW-Abstellplatzes. Im kommenden Jahr sollte die Aktion noch stärker in der Landesverwaltung bekannt gemacht werden, in dem z. B. offensiv auf den Internet- und Intranetseiten des Landes für eine Beteiligung geworben wird.
Das Land Sachsen-Anhalt ist neben Mecklenburg-Vorpommern das einzige Bundesland in Deutschland ohne Regelungen zu Fahrradabstellplätzen in seiner Landesbauordnung (siehe große Anfrage im Bundestag zum Radverkehr; Drucksache 16/3544 Frage 14).
Komfortable Abstellmöglichkeiten sind aber eine Grundvoraussetzung für die Nutzung des Fahrrads im Alltag, bauliche Verhältnisse zementieren häufig langfristig die Nutzungsbedingungen und erschweren oder verunmöglichen unter Umständen die Fahrradnutzung. Eine diesbezügliche „nderung der Landesbauordnung würde vom ADFC begrüßt werden.

Sanierung von Orts- und Kreisstraßen
Der ADFC sieht ein strukturelles Problem für die Verbesserung der Vorraussetzungen für wachsende Radverkehrsanteile in einer stagnierenden, oder jedenfalls viel zu langsamen Sanierung von Orts- und Kreisstraßen. Beispielsweise kann die Stadt Halle mit ihrem kommunalen Straßennetz von 650 km, darunter 250 km mit „großem oder größten Reparaturbedarf“ (MZ vom 02.11.07) gerade einmal 2,4 Mio. Euro Mittel bereitstellen. Im neuen Saalekreis wurden von 252 km sanierungsbedürftigen km Kreisstraße seit 1994 erst 77 km saniert (MZ vom 21.08.07). Die großen Rückstände zur Schaffung verbesserter Bedingungen für die Nahmobilität spielen in der politischen Diskussion bisher keine oder nur eine untergeordnete Rolle, gerade wenig befahrene Anliegerstraßen bieten gute Bedingungen für innerörtliche Radrouten, wenig befahrene Kreisstraßen für ein Landesnetz.
Da dieses Problem nicht allein auf kommunaler Ebene gelöst werden kann, regt der ADFC eine Landesinitiative an. Es sollte in Ihrem Ministerium bzw. in der Landesregierung darüber nachgedacht werden, wie hierfür finanzielle Unterstützung, z. B. aus den EU-Strukturfonds oder der Städtebauförderung, geleistet werden kann.
Die fahrrad- und damit familienfreundliche Sanierung etwa eines Gründerzeitviertels wäre ein besonders wünschenswertes IBA Projekt und würde dem Punkt 9 des Kabinettsbeschluss vom 12. Sept. 2006 in idealer Weise gerecht werden.

Der ADFC Sachsen-Anhalt bietet der Landesregierung- und verwaltung an, über die genannten Punkte im Einzelnen zu sprechen und stellt sich als kompetenter Ansprechpartner in Sachen Radverkehr gerne zur Verfügung.

Volker Preibisch

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