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Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht

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Wir freuen uns, dass die Fraktion DIE LINKE sich mit einem radverkehrspolitischen Thema – der Anordnung bzw. der Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht – beschäftigt. Wir hätten uns dieses Interesse gerne auch schon zu einem früheren Zeitpunkt gewünscht, etwa als die Veröffentlichung des Kinderunfallatlas der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) im März 2008 das Ergebnis erbracht hat, dass die Stadt Magdeburg deutschlandweit die gefährlichste Stadt für radfahrende Kinder unter 14 Jahren war und auch die Stadt Dessau zu Orten mit hohen Kinderunfallrisiko zählte. Seit der Gründung das Landes Sachsen-Anhalt hat unseres Wissen nach noch nie eine Debatte zum Radverkehr im Landtag stattgefunden, z. B. auch nicht zum Anlass der Verabschiedung eines Landesradverkehrsplanes.
Andererseits hat Sachsen-Anhalt im Bundesvergleich relativ hohe Radverkehrsanteile aufzuweisen. Legt man bundesweite Befragungsergebnisse zugrunde, nutzen mehr als eine Million Sachsen-Anhalter das Fahrrad zumindest wöchentlich. Dies sind gute Gründe sich mit den Radverkehr und Verkehrssicherheit zu beschäftigen. Das wichtige Thema Nahmobilität und damit auch der Verkehrssicherheit ist unserer Auffassung nach, z. B. auch im Parteiprogramm, d. h. Programm der letzten Landtagswahl, der Partei DIE LINKEN, mindestens unterrepräsentiert.

Auch der Stolz auf die „Radfahrerstadt der DDR“ war inzwischen verblasst, die immer noch vergleichsweise hohen Radverkehrsanteile, werden in keine der uns bekannten Broschüren oder Programmschriften der politischen Parteien in Dessau und Sachsen-Anhalt Dessauer gewürdigt oder als Aspekte der Imagewerbung eingesetzt. Es sind uns auch keine besonderen politischen Initiativen zur Förderung des Radverkehrs in Dessau bekannt, sieht man vom vor kurzem erfolgten Beschluss zur Erarbeitung eines Radverkehrskonzeptes ab. Radwege sind erkennbar seit vielen Jahren in einem schlechten und schlechter werdenden Zustand, eine systematische betriebene Sanierung ist nicht absehbar. Die kommunalpolitischen Prioritäten wurden auch in Dessau lange an anderer Stelle gesetzt. Das gute touristische Radwegenetz verdankt die Stadt nicht zuletzt umfangreichen für die Stadt kostenlosen Hochwasserhilfen durch den Bund. Umso mehr freuen wir uns über den jetzigen mutigen Schritt zur Beseitigung rechtwidriger Beschränkungen für den Radverkehr und wünschen uns eine landesweite Resonanz.

Wie Sie richtig anmerken, muss das wichtigste Kriterium für die Anordnung der Radwegebenutzungspflicht die Verbesserung der Verkehrssicherheit sein. Die ist aber häufig auf Radwegen nicht oder jedenfalls nicht besser gewährleistet als auf der Straße. Dies zeigen Untersuchungen, z. B. die der BASt aus dem Jahre 2009. Auch nach der STVo Novellierung 1997, war schon vom Gesetzgeber intendiert, die Radwegebenutzungspflicht nur in Ausnahmesituationen, d. h. nur bei besonderer Gefahrenlage und unter der Bedingung normgerechter Gestaltung der Radwege anzuordnen. Das wurde uns vom Bundesverkehrsministerium immer wieder bestätigt. Das zitierte Bundesverwaltungsgerichtsurteil hat diese Vorgaben nur anhand eines exemplarischen Falles konkretisiert. Mitunter wurden bundesweit, wie auch in Dessau, Radwegebenutzungspflichten nicht überprüft, rechtswidrig angeordnet und beibehalten. Nicht zuletzt um den Verkehrsfluss für den PKW-Verkehr, wie schon mit der ersten Radwegebenutungspflicht von 1934 beabsichtigt, zu beschleunigen.

Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme machen es erforderlich, dass PKWs Radfahrer nur im Mindestabstand von 1,50 m überholen, dann ist die Nutzung der Straße im Mischverkehr im besonderem Maß auf Schutz- und Angebotsstreifen häufig sicherer als auf hierfür vorgesehen schlecht einsehbaren Radwegen mit baulichen Mängeln. Die direkte Führung auf der Straße ist zudem häufig schneller, da nicht Umwege zu Querungsstellen und über Fußgängerampeln in Kauf genommen werden müssen. Auch für linksabbiegende Radfahrer können mit Markierungen sichere direkte Querungen für den Radverkehr geschaffen werden. Die diesbezüglichen Empfehlungen der ERA 2010 sind Ihnen sicherlich bekannt (sollen laut Antwort auf eine Landtagsanfrage vom vergangenen Jahr auch in Sachsen-Anhalt verbindlich gemacht werden) und werden vielerorts bereits erfolgreich angewandt.

Wir würden uns aber freuen, wenn Sie eine politische Initiative anregen würden, die eine Informationskampagne des Landes zur Verkehrssicherheit u. U. auch zur Aufklärung der Verkehrsteilnehmer zum Ziel hat. Auch bitten wir Sie die konsequente Umsetzung der ERA 2010 bei allen Straßenplanungen und Förderungen des Landes zu unterstützen.

Wir können uns sehr mit der Erklärung der Stadt Dessau anfreunden, dass die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht nicht heißt, dass die Sanierung von Radwegen zukünftig ausgesetzt werden soll. Radwege können auch ohne Benutzungspflicht als anderer Radweg oder als Fußweg „Radfahrer frei“ gerne vorgehalten werden. Radfahrer die sich auf Radwegen sicherer fühlen und dafür Umwege, schlechte Beläge usw. in Kauf nehmen wollen, sollen dies gerne tun. Umso besser der Zustand und die Führung dieser Radwege ist, umso mehr Radfahrer werden diese auch annehmen. Auch hierzu wünschen wir uns politische Initiativen von Ihnen, damit zukünftig Radwege schneller und funktionsgerechter saniert werden können.

Wir schließen uns Ihrer Meinung an, dass Vernunft und Sachverstand die Diskussion bestimmen sollen und bitten Sie sich deshalb in das Thema der Verkehrssicherheit im Radverkehr weiter einzuarbeiten. U. U. kommen wir dann zu gemeinsamen Auffassungen was das Thema Radwegebenutzungspflicht angeht.

Gerne erläutern wir das auch in einem persönlichen Gespräch.

Mit freundlichen Grüßen

Volker Preibisch

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