Überregionaler Radweg durch Ortsumgehungsstraße bewusst gekappt – ohne Ersatz
(Informationsstelle Radverkehrsqualität: Stellungnahme 3)
Wer am westlichen Randbereich von Aschersleben auf dem Harzvorlandradweg per Rad unterwegs ist staunt nicht schlecht, wenn er an die metallenen Leitplanken – die die Schneise der B180n* begrenzen – stößt. Kaum zu glauben, aber tatsächlich wahr, dass dieser überregionale Radweg abgeschnitten und bewusst gekappt wurde – ohne irgendeine Entschuldigung, Wegweisung, Umleitung oder verkehrssicheren Ersatz.
Radroute Reinstedter Weg von B180n Richtung Aschersleben, (Foto: David Tucker 20.10.2012)
Kurzlink zur B185: http://goo.gl/maps/zOt2x
Kurzlink zur Reinstedter Weg (Ost): http://goo.gl/maps/y6qYJ
Kurzlink zur B180n/B185: http://goo.gl/maps/gtcit
Harzvorlandradweg durch B180n abgeschnitten
Der Harzvorlandradweg dient als Radverkehrsverbindung zwischen Aschersleben und Reinstedt und danach via dem Europa-Radweg R1/D3 über Falkenstein nach Ermsleben als Zugang zu den ruhigen Wäldern des Harzgebirges. Er hatte bisher eine wichtige Vernetzungsfunktion und diente zugleich als komfortable Route für einen Abstecher der Europatouristen zur ältesten Stadt Sachsen-Anhalts – Aschersleben. Der Reinstedter Weg verband Aschersleben (ab der Ermslebener Straße B185) und Reinstedt (bis der K1368) als breite, verkehrsberuhigte, asphaltierte Straße.
Eine ideale Radverbindung für Alltagsradverkehr, Touristen und Naherholung, die – wegen der guten Oberfläche – sogar bei Rennradfahrern für eine sportliche Runde sehr beliebt war.
Diese Beliebtheit hatte einen guten Grund: da es nämlich zwischen den zwei westlichen Ausfallstraßen – beides Bundesstraßen (B6 Hoymer Chaussee und B185 Ermslebener Straße) keine verkehrssichere Alternative gab.
Planung und Klage
Vor über zehn Jahren haben sich Stadt und Land für eine Westumfahrung von Aschersleben in Form einer völlig neuen Verbindungsstraße – der B180n (Planfeststellungsbeschluss vom 17. Juni 2002, Planungsabschnitt 1 B) – zwischen der B6n/B6 im Norden und der Ermslebener Straße (B185) im Süden entschieden. Dabei sollte der Reinstedter Weg – und damit der Harzvorlandradweg – geschnitten werden, so dass zwei Sackgassen entstehen würden. Schon damals hat diese Entscheidung nicht jeden begeistert. Es folgte eine Klage eines Landwirts, dem durch diese Maßnahme der Zugang zu seinem Acker erheblich erschwert würde. Trotz mehrjähriger Verhandlungen (2003 – 2007) hatte die Klage keinen Erfolg. In der Gerichtsverhandlung (18.04.2007) wurden aber die Wichtigkeit diese Verbindung für den Radverkehr mehrmals erwähnt und verschiedene Optionen (wie etwa ein Brückenbau) geprüft (http://www.recht-in.de/urteil Bundesstrasse B180n Ortsumgehung Aschersleben). Der zwei Kilometer lange Abschnitt der B180n wurde in der zweiten Hälfte 2008 gebaut, wobei am 25. August der Reinstedter Weg endgültig gekappt wurde. Ein Pressebericht vom 22. August bezieht sich exklusiv auf das Problem das diese Veränderung für den motorisierten Verkehr bedeutet. Mit keinem einzigen Wort werden die Probleme für Radfahrer erwähnt. Weder gibt es einen Hinweis zu einer alternativen Route oder einer ausgeschilderten Umleitung (http://www.mz-web.de). Fünf Jahre danach ist noch immer kein Ersatz für diese Verbindung realisiert worden, was verschiedene Gründe hat.
Hart kalkuliert
Wegen der höheren Baukosten kamen eine Brücke oder eine Unterführung für Rad- und Fußgänger zur Überwindung der 11m breiten Bundesstraße nicht im Betracht. Dass sich der Radfahrer in einer Zwickmühle befinden würde, war den Planern bewusst. Dieses Bewusstsein lässt sich in dem Bau von zwei einander gegenüberliegenden langgezogenen Leitplanken an den beiden Straßenrändern beweisen. Diese dienen nicht wie üblich dazu Autos auf der Fahrbahn zu halten, sondern dazu die Querung der Straße durch verzweifelte Radfahrer zu verhindern. Das Dilemma für die Radfahrer wird bewusst einfach im Kauf genommen: Ein Trampelpfad hinter beiden Schutzplanken zeigt die Ineffektivität dieser Behinderungsmaßnahme – und gleichzeitig, wie hoch weiterhin der Bedarf an dieser Ortsverbindung ist.
Dies obwohl die Gefahrensituation und das Unfallrisiko für Radfahrer wie Autofahrer auf der Fahrbahn durch die entstandene weitere Querungsentfernung eine zusätzliche Gefahr für Radfahrer wie motorisierte Verkehrsteilnehmer darstellt.
Lückenhafte Radrouten
Ein neuer Betonspur-Ersatzweg unmittelbar westlich der B180n wurde 2008 als Teil der Ortsumgehung B180n realisiert.
Dieser ländliche Weg schließt an den westlichen Reinstedter Weg und (fast) an den neuen Kreisverkehr an der Ermslebener Straße (B185) an.
Ein einseitiger, asphaltierter Zweirichtungsradweg soll den Ersatzweg und den neugeschaffenen Kreisverkehr (südlicher Terminus der B180n im Planungsabschnitt 1 B) verbinden. In Richtung Aschersleben führt dieser Zweirichtungsradweg jedoch nur wenige Meter weit bis an die Baugrenze von Planungsabschnitt 1B,
so dass für Radfahrer eine 1,4 km lange Lücke bis zum nächsten Radwegeabschnitt offen bleibt.
Ins Stocken geraten
Auch für die Verkehrsplaner war dieses seit 2007 bestehende Defizit sehr unangenehm, mit dem Resultat, dass das Land den Bau eines Radwegs entlang der B185 in die Dringlichkeitskategorie I (vordringlicher Bedarf) [Landesradverkehrsplan] eingestuft hat. Die Umsetzung der Planung ist aber wegen allgemeiner Finanzierungsschwierigkeiten des Kaufs angrenzender Grundstücksteile schwer ins Stocken geraten. Inzwischen fehlt eine direkte, komfortable und vor allem sichere Verbindung für Radfahrer seit knapp fünf Jahren! Angesichts solcher Bedingungen ist es nicht überraschend, dass manche Radfahrer immer noch die direkte – aber gefährliche – Querung der B180n am Reinstedter Weg bevorzugen, anstatt die ebenfalls unangenehme, aber viel längere Alternative (2,43 km statt 1,35 km, = 1,09 km mehr), entlang der vielbefahrenen Ermslebener Straße (B185).
Neue Wege
Der neue Radweg entlang der B185 hat gerade das Planfeststellungsverfahren passiert.
Hier eine Bestandsaufnahme der jetzigen Situation an der B185:
Bestandsaufnahme der Radroute entlang der B185 aus Richtung Aschersleben
Auf der Straße „Zollberg“ (B6) fährt man als Radfahrer im Mischverkehr auf der Fahrbahn. Die Straße biegt nach links und wandelt sich in die Ermslebener Str. (B6). Nach wenigen Metern, kurz vor einer Tankstelle, beginnt ein mit roten Betonsteinen (mit gefrästen Kanten) gepflasterter, leider deutlich zu schmaler (1,00 m) und nicht regelkonformer (ERA 2010 fordert mindestens eine Breite von 1,60 m) Bordsteinradweg. Nach ca. 140 m biegt die B6 rechts über die Hoymer Str. ab. Für den geradeaus fahrenden Radfahrer hat die Lichtzeichenanlage an der Hoymer Str. nur ein Fußgängersymbol, was ihn dazu zwingt abzusteigen und sein Rad über die Straße (inzwischen fast ohne Markierungen) zu schieben. Der schmale Bordsteinradweg führt weiter hinter einen baumbestandenen Grünstreifen mit Parkbuchten (ohne Sicherheitsabstand) parallel zur Ermslebener Straße und endet nach 0,3 km am Theodor-Römer-Weg. In diesem befindet sich z. B. das Amtsgericht, welches ein Ziel für Alltagsradfahrer bildet. Dieser erste Abschnitt der Radroute an der B185 ist vom geplanten Radwegneubau, der erst am Theodor-Römer-Weg beginnt, nicht betroffen. Ab dem Theodor-Römer-Weg müssen Radfahrer in Richtung Reinstedt oder Ermsleben im Mischverkehr bis zu dem ca. 1,4 km entfernten Radwegstumpf am B185/B180n-Kreisverkehr weiterfahren. Neben Schulwegverkehr ist nach 0,5 km der Sitz des Landkreis Aschersleben-Staßfurt am Reinstedter Weg ein weiteres Ziel des Alltagsradverkehrs, der unangenehm zu erreichen ist.
Bestandsaufnahme der Radroute entlang der B185 aus Richtung Ermsleben
Gegenüber der Einmündung des Theodor-Römer-Wegs beginnt ein benutzungspflichtiger Bordsteinradweg. Bislang ist die Auffahrt zum Radweg nicht auf null gesenkt, durch die schräge Führung und Längsrillen besteht eine erhöhte Sturzgefahr bei Nässe oder Schnee. Unmittelbar nach dem Einschwenken holpert man über eine hier eingefügte Regenwasserlängsrinne. Diese Situation wird durch die Neubaumaßnahme behoben werden. Der anschließende Radweg hat jedoch mehrere Defizite, da er aber dort beginnt, wo die Neubaumaßnahme endet, werden diese nicht entschärft sondern durch die zu erwartende erhöhte Nutzung noch verstärkt.
Mit einer Breite von nur einem Meter ist der Radweg viel zu schmal und bietet keine Überholungsmöglichkeit. Der Radweg führt weiter, aber mit nur 1,5 m Abstand von versteckten Grundstückseinfahrten, so dass Radfahrer ihr Fahrtempo drosseln müssen und von ein und ausfahrenden PKWs gefährdet werden. Zusätzlich bestehen Behinderungen durch in Einfahrten abgestellte Pkws.
An der Einmündung der Hoymer Straße ist keine direkte Linksabbiegermöglichkeit auf der B6 (Hoymer Chaussee) vorhanden. Linksabbiegende Radfahrer werden dadurch gezwungen abzusteigen und ihre Räder über zwei Straßen zu schieben bzw. zwei Mal an Fußgängerampeln zu warten.
Planungsunterlagen
B185 Radweg und OD Aschersleben-Ermsleben, 1. Abschnitt Planfeststellung, Erläuterungsbericht (Ingenieurbüro MKR Harz – Consult Blankenburg, Inh. M. Müller Beratender Ingenieur)
Abschnitt 2.1 Ortsausgangschild (OD) – Kreisverkehr (B185/B180n): 658 m
Abschnitt 2.2 Kreisverkehr (B185/B180n) – Ermsleben: 4542 m
Insgesamt etwas über 5 km. Dazu ein innerörtlicher Radweg
Aus Richtung Aschersleben
Einmündung Harzblick. Vor der Einmündung ist ein Zweirichtungsradweg 2 m breit (parallel zum Gehweg), danach ist nur der Zweirichtungsradweg mit 2,25 m Breite vorhanden.
* Änderungen in den Straßenbezeichnungen
Durch den Neubau der B180n sind Bezeichnungen von Straßenabschnitten geändert worden. Die Ermslebener Straße wurde vor dem Neubau komplett als B185 bezeichnet. Jetzt ist ab dem provisorischen Kreisverkehr an dem die B180n mit der Ermslebener Straße zusammentrifft die B180n in B185 umbenannt, so dass die B185 jetzt nicht mehr hinein nach Aschersleben sondern im Richtung Norden zur B6n führt. Das bedeutet, dass derzeit (2013) der 800 m Abschnitt der Ermslebener Straße östlich des Kreisverkehrs keine Bundesstraße mehr ist. Um Verwechslungen zu vermeiden bzw. Klarheit zu schaffen, wird hier in diese Beschreibung die Bezeichnung B180n beibehalten.
B 185 Radweg und OD Aschersleben-Ermsleben, 1. Abschnitt
Planfeststellung, Erläuterungsbericht
B180n 1,2 mill. Euro, 2 km Länge, fertiggestellt Ende 2008.
Juni 2008 Baubeginn knapp fünf Jahre ohne Ersatz (http://www.mz-web.de/bernburg)
Susanne Weihmann (Freitag 22.08.2008) „Reinstedter Weg ab Montag für Autofahrer voll gesperrt.“ (http://www.mz-web.de/aschersleben) Beitrag bezieht sich nur auf Problem aus Sicht des motorisierten Verkehr – seit 25.08.2008 gesperrt.